Donnerstag, 9. Juni 2011

Enslaved und die Frage: wer versklavt hier eigentlich wen?

Ein kritischer Blick auf Enslaved-Odyssey to the West

Voreingenommen, das war ich bezüglich dieses Games auf jeden Fall. Eigentlich hatte ich auch nie eingeplant, dieses Spiel überhaupt zu spielen. Als Japanlogin sehe ich mich dem zu Grunde liegenden Mythos des Spiels zu oft ausgeliefert, als dass ich Spaß daran hätte, mich in der Freizeit auch noch mit Ablegern davon zu beschäftigen. Aber manchmal gibt es eben Angebote, die man nicht ausschlagen kann und generell, so ein ganz klein wenig siegte an diesem Punkt die Neugier und ich spielte tatsächlich entgegen meiner Prinzipien das Spiel Enslaved- Odyssey to the West. Allerdings, ich war voreingenommen und zu Beginn hatte das Spiel keinen guten Stand bei mir. 

Zerstörte, aber wunderschöne Umgebungen
Das soll aber nicht heißen, dass ich mich ausschließlich auf die schlechten Beigeschmäcker dieses Gerichts konzentriert hätte. Zu Beginn des zweiten Kapitels setzte bei mir im Gegenteil sogar Begeisterung ein, denn die Umgebungen waren tatsächlich wunderschön. Auf ihre eigene Weise, denn die ersten Kapitel spielen in einem zerstörten, aber wunderschön von Grün, Bäumen und Schmetterlingen bevölkerten New York. Während man sich durch die Ruinen des ehemaligen Big Apples schlägt, möchte man leicht an einen echten Meisterkoch von Gamedesigner glauben. 

Eine neue Definition von Männlichkeit...
Als Spieler steuerten man einen sehr bemuskelten, sehr komisch aussehenden Affen von Mann, der natürlich auf den Namen Monkey hört. Wie sollte es auch anders sein? Denn zu Grunde liegt der Geschichte die alte, chinesische Legende der „Reise in den Westen“, welche bei uns ja vor allem über Produkte japanischer Populärkultur bekannt ist: Dragonball, Saiyuki… um hier mal nur zwei zu nennen. Also, Son Goku sieht immer noch überaus ‚maskulin‘ aus und hört jetzt eben auf seinen englischen Namen Monkey, hat aber ein ziemlich großes Problem: in der postapokalyptischen Welt ist er gerade noch aus dem Sklaven-Flugzeug der mysteriösen Macht Pyramid entkommen, nur um sich von einem jungen, technikbegeisterteren Mädchen namens Trip tatsächlich versklavt zu wissen. Diese nutze nach der spektakulären Flucht gleich die Gunst der Stunde des sich in einem leicht angeschlagenem Zustand befindlichen Monkeys, um ihm eins der elektronischen Sklavenkopfbänder zu verpassen, da sie eine Eskorte durch das zerstörte und von ziemlich gewalttätigen Kampfmaschinen bevölkerte New York braucht für ihren Weg in die heimische Kommune. Hört, hört... soweit also keine bahnbrechend revolutionäre, aber solide und unkomplizierte Story. 

Leider wurde die Handlung aber nicht richtig durch gekocht, denn viele Hintergründe bleiben ungeklärt, das Ende lässt sich durchaus als offen bezeichnen, treffender vielleicht noch als Cliffhänger und auch die Motive der Charaktere wirken zeitweilig sehr fad. Hier hätte es sich vielleicht angeboten, das Rezept etwas genauer zu überarbeiten. 

Doch richtig versalzen wird der anfangs gute Eindruck des Games dann, wenn man weiter fortschreitet und sich immer häufiger als Monkey durch Wellen von Gegnern kämpfen muss. Die Steuerung als solche ist einfach, aber stur wie Monkey ist, reagiert er nur sehr zögerlich bis gar nicht auf die Befehle des Spielers. Oder prügelt erst einmal in der Luft rum. Oder greift genau den der drei Gegner an, der gerade eher eine untergeordnete Rolle spielt. Oder er springt geradezu in die gegnerische Schusslinie. Gegner anvisieren stand offensichtlich nicht auf der Liste der Zutaten des Spiels. Stattdessen wird blind drauflos geprügelt. Aber kann man bei einem Spiel wie Enslaved wirklich auf einen Autofokus verzichten? Meiner Meinung nach nicht, denn dadurch ist der Geschmack alles andere als ausgewogen. Es wird unübersichtlich, stellenweise unfair und teilweise frustrierend. Generell trübt sich dadurch der Gesamteindruck erheblich, was nicht hätte sein müssen. 

Stattdessen schmiss man ein anderes Gewürz reichlich, bis zu reichlich hinein. Dieses Gewürz hört auf den Namen Trip, später auch Pigsy combined with Trip und ist so höllisch scharf, dass es unter anderem auch die Nerven der Spieler mit verbrennt, die durch die unübersichtliche Kampflage ja ohnehin schon gelitten haben. Klar, als Spieler, die Monkey steuern, seid ihr ihr tendenziell komplett ausgeliefert, denn sie hat euch versklavt, kontrolliert das Kopfband und solltet ihr nicht tun, was SIE will (euch zu weit von ihr entfernen, sie mal kurz aus den Augen verlieren etc.), dann heißt es GAME OVER. Das ist schon nervig genug, aber wohl notwendig und mal ehrlich: so ungeschickt stellt sich Trip in den Leveln nun auch nicht an, sieht man mal von ihrer Unfähigkeit ab, einfach mal aus der Schusslinie heraus zu gehen und der Vorhersehbarkeit, wann Dinge schief gehen, wodurch ihr buchstäblich ans Messer geliefert werdet. 

"Lift that!"
Trotzdem, sie hat die absolute Macht und sie lässt es euch auch wissen. Ständig und überall, auch dann, wenn ihr schon längst verstanden habt, dass ihr sie an metallerne Bögen hochwerfen müsst, dass sie den Sprung über jene Schlucht nicht alleine schafft und dass ihr Schalter XY drücken müsst. Im Kapitel 2 sind ihre Kommandos á la: „Wirf mich da hoch! Drück den Knopf! Los, hilf mir hierrüber! Trag mich!“ noch durchaus hilfreich, aber irgendwann, bei mir ab Kapitel 4, nervt dieser ständige Kommandoton und das ständige: „Tu dies, tu das!“ Denn wir, als Spieler, sind nicht doof. Irgendwann weiß man gerade bei einem, sagen wir es mal kritisch, recht einfach gestrickten Spiel wie Enslaved, wo der Hase, oder in diesem Fall der Affe, für gewöhnlich langzulaufen hat. Es ist nicht so, als würde man in den Leveln an seine geistigen Grenzen gebracht werden. Und führt ihr einmal einen dieser Befehle nicht sofort richtig aus, weil ihr in einer gegenüberliegenden Ecke nach den zahlreichen Tech-Orbs sucht, dann läuft Trip richtig zu Hochformen auf: „I don’t think that this is the way out!“ „This way!“ „Do you think that this is the right way?“ 

Der Spieler wird hier vollkommen entmündigt, bloß nicht selber denken, sondern schön brav das machen, was der Level von einem möchte. Bloß nicht versuchen, einen eigenen Weg zu finden, sondern immer schön der Ideallinie folgen. Etwas, was irgendwie an deutsche Bildungseinrichtungen erinnert. Generell vielleicht logisch und dem Konzept des Titels des Spiel folgend, wird dadurch jedoch der Spielspaß erheblich runtergefahren. Die Lust am Erkunden vergeht einem ziemlich schnell und Trip würde man irgendwann am liebsten nur noch in einen Abgrund schubsen, statt sie nach drei, vier Erinnerungen drüber zu werfen. Das zerrt doch ziemlich am Nervenkostüm und untergräbt auf der anderen Seite gleichzeitig die Beziehung, die sich zwischen den Charakteren aufbaut. Bevormundung des Spielers macht sich eben ohnehin nur in den wenigsten Rezepten gut, aber Enslaved treibt es hier absolut unnötigerweise wirklich auf die Spitze. 

Erst jüngst zeigte sich das Entwicklerstudio darüber enttäuscht, dass Enslaved eher verhaltende Umsatzzahlen hatte und zweifelte an, ob es eine Fortsetzung geben werde. Das ist insofern schade, als dass dies die Welt um Enslaved, die an sich noch viel ungeklärtes Potential hätte, unaufgelöst bleiben könnte. Andererseits hat man diese Umsatzzahlen letztlich selbst zu verantworten, denn obwohl Enslaved bei einigen Gamern als innovativer Geheimtipp gilt und die Autorin dem Spiel das generell kreative Konzept und Design nicht absprechen möchte, krankt das Spiel doch gleich an mehreren Stellen und wirkt zusammen mit dem offenen Ende eher als halb roh, denn medium-durch. Würde man bei einer Fortsetzung jedoch an den aufgeführten Baustellen arbeiten, dann könnte sich ein zweiter Teil in dem Enslaved-Universum durchaus erfolgreich werden, denn Setting und Verwendung der alten chinesischen Legende sind erfrischend anders, für alle, egal ob sie Dragonball, die Originalgeschichte oder einen weiteren Ableger kennen oder wie die geplagte Autorin in diesem Bereich öfters „beruflich“ unterwegs sind. 

Es bleibt zu hoffen, dass Ninja Theory diese ganzen großen Kleinigkeiten für ihren derzeitige Auftragsjob Devil may Cry ausmerzen und nicht wiederholen.

Geschmacksrichtung: minzig-frisch mit unangenehm bitterer Holznote

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